Private archäologische Entdeckungen von Weltrang

Privatpersonen werden von Berufsarchäologen hauptsächlich als Schädlinge und Störfaktoren betrachtet. Blickt man jedoch auf die wichtigsten neu entdeckten archäologischen Areale der Nachkriegszeit weltweit, so wurden sie ausschließlich von Privatleuten gefunden. Erst wenn man die Liste auf Funde nationaler Bedeutung erweitert, treten - oft ehrenamtliche und somit teilprivate - Mitarbeiter der Amtsarchäologie als Entdecker auf [1].



Tabelle bedeutender Entdeckungen

Ort  Jahr  Fund  Finder 
Qumran, heutiges Israel  Ende 1940er und 1950er Jahre  In mehreren Höhlen am Toten Meer wurden Schriftrollen mit den ältesten bekannten Texten des Alten Testamentes gefunden.   Die ersten Rollen wurden von einem Beduinen auf der Suche nach einer entlaufenen Ziege entdeckt. 
Nag Hammadi bei Luxor, Ägypten  1945  In Grabhöhlen über dem Nil fanden sich die ältesten bekannten Exemplare von Schriften des Neuen Testamentes.  Einheimische 
Arisman, Iran   ca. 1990-2000  In einer abgelegenen Region am Fuße des Karkas Gebirges findet ein Lehrer Tonscherben und Schlackebrocken. Eine nähere Untersuchung ergibt, dass dort vermutlich die älteste weltweit zur Zeit bekannte Stätte zur Bronzeerzeugung lag. Sie markiert den Übergang von der Stein- zur Metallzeit und stellt damit einen Meilenstein in der Menschheitsgeschichte dar. [4]   Dorfschullehrer Davud Hassan Ayan 
Ötztaler Alpen   1991  Bergwanderer finden beim Bergwandern die Überreste der Gletschermumie "Ötzi", die bisher am besten erhaltene und am gründlichsten untersuchte, natürlich mumifizierte Leiche aus der Zeit um 3500 v.Chr. .   Das Ehepaar Simon. Entdeckerstatus erst nach Gerichtsstreit. Vergeblicher Rechtsstreit um Belohnung. Nachtrag: Am 16.6.09 meldeten die Medien, dass sich die Südtiroler Landesregierung mit der Familie der Finder doch noch auf einen Vergleich geeinigt hat - 18 Jahre nach dem Fund. Die Familie erhält demnach 150.000 Euro, wovon sie lt. Wikipedia jedoch auch die Prozess- und Anwaltskosten bezahlen müssen. Herr Simon erlebte dies nicht mehr. Er verstarb 2004. Nachtrag 2: Am 23.9.2010 meldeten die Medien [11], dass ein Finderlohn von nunmehr 175.000 Euro gezahlt worden sei - nach einem ursprünglichen Angebot der Südtiroler Landesregierung von 50.000 Euro. Und dass die Witwe Erika Simon das Wort "Ötzi" nach Auskunft ihres Anwalts mittlerweile nicht mehr hören könne.  
Staffordshire, England  2009  Wie am 24.9.09 durch die Medien ging, fand ein Sondengänger auf einem Acker den bisher größten Goldschatz aus der Zeit der Angelsachsen, der jemals in England entdeckt wurde wurde. Er umfasst ca. 1500 Objekte mit einem Gesamtgewicht von 5 Kg Gold und 1.3 Kg Silber. "Dies wird unsere Ansichten über das angelsächsische England radikal verändern", sagte Leslie Webster, Expertin beim British Museum. [3]   Sondengänger Terry Herbert.  
Eberdingen-Hochdorf, Baden-Württemberg  1978  Eisenzeitliches Hügelgrab, mit 60 m Durchmesser zu den größten seiner Art gehörend.   Lehrerin Renate Leibfried [5]  
Frome, Somerset, England  April 2010. Veröffentlicht im Juli 2010.   52.000 Bronze- und Silbermünzen im Gesamtgewicht von 160 Kg. Der größte jemals in England gefundene Münzschatz in einem einzelnen Gefäß und der zweitgrößte englische Münzschatz überhaupt. 3. Jhd. . Geschätzer Wert 1 Mio. $. Die Quelle [10] enthält Foto- und Videomaterial.   Sondengänger Dave Crisp [10].  
Stirlingshire, Schottland  2009  Nachdem er einen 250 Euro Einstiegsdetektor gerade mal 5 Tage besaß, fand der schottische Tierparkangestellte und Sondengänger David Booth mehrere, etwa 2000 Jahre alte Goldgegenstände, darunter mehrere Torcs. Nach Einschätzung der zuständigen Regierungsvertreterin handelt es sich um den "bedeutendsten Depotfund goldener Gegenstände aus der Eisenzeit, der jemals in Schottland gemacht wurde." Die schottische Rechtslage entspricht der in mehreren deutschen Schatzregalländern: Der Fund ist Eigentum der Regierung, als unverbindliche Kann-Bestimmung ist jedoch eine Zahlung an den Finder vorgesehen. Während in Deutschland in der Regel keine nennenswerte Belohnung gezahlt wird, hat die schottische Regierung eine Zahlung von 460.000 Pfund vorgesehen, wie die Medien im Oktober 2010 meldeten. Das deutet darauf hin, dass in Schottland Staatsmänner über solche Fragen entscheiden, während es in Deutschland Archäologen sind. Die schottischen Museen haben nun bis April 2011 Zeit, den Fund für diese, an David Booth zahlbare Summe zu erwerben. Durch diese Vorgehensweise wird der Finder belohnt, obwohl der Staatshaushalt unbelastet bleibt. [12]   Sondengänger David Booth [12] .  
Bucht von Playa Damas, Panama  Um 1990  Warren White entdeckte beim Tauchen mit seinem Sohn die Überreste eines hölzernen Schiffes. Man vermutet heute, dass es sich dabei um ein Schiff aus jener kleinen Flotte handelt, mit der Kolumbus seine vierte und letzte Reise durchführte. Eventuell das Schiff "Biscayina". Die Identifizierung ist derzeit nicht sicher, aber alle bisher bekannten Fakten stehen damit im Einklang. Es wäre das erste jemals gefundene Schiff aus dieser Flotte. Es stammt aus den Jahrzehnte um 1500 und derart alte Schiffsfunde sind extrem selten. Die Quelle [13] erwähnt es nicht explizit, aber es ist davon auszugehen, dass dem Entdecker jede weitere Untersuchung seines Fundes sowie die Bergung von Gegenständen verboten wurden und er auch keine wie immer geartete Belohnung erhielt.   Der Schatztaucher und Geschäftsmann Warren White [13]. 

Der unbekannte Entdecker

So wie man Denkmäler für den unbekannten Soldaten errichtet, so hätte, neben anderen Wissenschaften, die Archäologie allen Grund, Denkmäler auch für den unbekannten Entdecker zu errichten. Teilweise waren es Zufallsentdecker. Aber auch die berühmten Forscher erhielten den entscheidenden Hinweis meist von anderen, was sie in ihren Berichten teilweise auch offen zugaben (teilweise auch nicht [7]). Manchmal sind die Namen der Hinweisgeber zumindest einem winzigen Kreis von Fachleuten bekannt, oft nicht einmal das.

Allen diesen so entscheidenden Helfern ist jedoch gemeinsam, dass sie in Lexika und anderen Darstellungen für interessierte Laien unerwähnt bleiben. Daher ist sich die Bevölkerung ihrer fundamental wichtigen Rolle meist nicht bewusst. Man liest dort nur "Machu Picchu wurde von Hiram Bingham entdeckt", aber das dies ohne Unterstützung der örtlichen Bauern gar nicht möglich gewesen wäre, liest man nicht [6]. Und welche Nachteile die dadurch erlitten, liest man ebensowenig [6].


Große archäologische Entdecker und ihre Tippgeber

Zufallsfinder

Zufallsfinder und Sucher

In der Vergangenheit waren durch Privatleute gemachte Funde meist zunächst zufälliger Natur und wurden von Landwirten, Hirten, Jägern oder Bauarbeitern gemacht. Hatte der Fund auch materielle Bedeutung, so begannen weitere Suchen der lokalen Bevölkerung. In Qumran beispielsweise lieferten sich die Beduinen über Jahre hinweg ein regelrechtres Wettrennen mit den Archäologen bei der Untersuchung von hunderten von weiteren Höhlen im Bereich des Westufers des Toten Meeres. Meist gewannen die Beduinen dieses Rennen und die Archäologen mussten die gefundenen Schriftrollenfragmente von Ihnen kaufen, obwohl antike Funde nach geltendem Recht ohnehin Eigentum des Staates waren. Auf diesen zentralen Punkt – Beachtung der Interessen der Finder - werden wir noch eingehend zu sprechen kommen.

Mit den Sondengängern trat in den letzten Jahrzehnten eine Gruppe in Erscheinung, die das Fundaufkommen archäologischer Artefakte geradezu revolutionierte. Besonders gut dokumentiert sind Detektorfunde in England , da größere Personengruppen mit der Metallsonde dort schon länger suchen. Es gibt Zeitschriften und zahlreiche Vereine. Während dort Anfang der 1970er Jahre pro Jahr nur ein halbes Dutzend Münzhorte, also Münzschätze, gefunden wurden, stieg ihre Zahl von Jahr zu Jahr und erreichte Mitte der 1990 Jahre ca. 100 pro Jahr. [2] Dies ist nur dem Einsatz von Metalldetektoren durch (zahlreiche) Privatleute zu verdanken.

In Deutschland ist die - recht vage - Gesetzeslage, ihre Interpretation durch die Behörden sowie deren allgemein sondengängerfeindliches Verhalten leider noch so, dass fündig gewordene Sondengänger ihre Funde in der Regel nicht melden, obwohl sie das formaljuristisch müssten. Z.B., weil sie in den meisten Bundesländern, den Schatzregalländern, befürchten müssen, dass man ihnen ihre Funde ersatzlos wegnimmt. In England ersetzte man ein ähnlich antiquiertes Fundrecht 1996 durch eine moderne Variante, die die Leistung des Finders stärker anerkennt und belohnt. Durch Anreize schuf man ein meldefreundliches Klima und erreichte so, dass die Anzahl der gemeldeten Artefakte im letzten Jahrzehnt geradezu explodiert ist. Dazu mehr im Absatz England im Artikel "Sondengänger außerhalb Deutschlands".


Quellen und Anmerkungen


[1]

Z.B. das steinzeitliche Observatorium Goseck in Sachsen-Anhalt 1991 bei einer Befliegung durch Otto Braasch.

[2]

Edward Fletcher, Buried British Treasure Hoards, S.5

[3]

t-online Nachrichtenportal, Archäologie, Titel "Riesiger Goldschatz in England gefunden", Von Annette Reuther, dpa, 24.9.09,
http://nachrichten.t-online.de/hobby-archaeologie-riesiger-goldschatz-in-england-gefunde

[4]

TV Reihe "Schliemanns Erben" von Gisela Graichen, "Das Rätsel des Kupferreichs" von Peter Prestel, (C) ZDF 2001

[5]

Die Kelten: Europas Volk der Eisenzeit, S. 43, aus der Reihe „Untergegangene Kulturen“, Time Life Bücher, 1995

[6]

Die Entdeckung von Machu Picchu durch Hiram Bingham wird vom ihm selber in seinem Buch mit dem englischen Originaltitel "Lost city of the Inca" beschrieben (deutsche Übersetzung z.B. unter dem Titel "Machu Picchu: Die legendäre Entdeckungsreise im Land der Inka " erhältlich):

Bingham hatte das Suchgebiet grob eingegrenzt, auf einen bestimmten Teil des Tals des Urubamba Flusses. Dann lief er mit seiner Expedition dort in der Gegend herum, meistens kraftsparend am Fluss entlang, und fragte alle Einheimischen nach "alten Ruinen". Ohne solche konkrten Hinweise bestieg er Berge meist nicht, da dies viel zu aufwendig gewesen wäre.

Die Gegend war zwar dünn besiedelt, aber keineswegs menschenleer. Mindestens einmal pro Woche waren sie irgendwo zum Essen eingeladen. Die örtlichen Großgrundbesitzer waren stets hellauf begeistert, dass sie mal jemand aus der "großen Welt" besuchte. Die Versorgungslage der Expedition war also nicht besonders schwierig.

Die allermeisten Hinweise auf alte Stätten entpuppten sich als völlig uninteressant. Meist waren es Reste von einzelnen, armseligen Häusern des 19. Jhds.. So kam es, dass am legendären 24.7.1911, als man wieder einmal einen Hinweis erhalten hatte, keiner aus der Expedition rechte Lust hatte, stundenlang mühevoll einen Berg hochzulaufen, nur um dann wahrscheinlich doch wieder nichts Interessantes vorzufinden. Man wollte lieber unten am Fluss bleiben, die Füße kühlen, sich etwas ausruhen, oder Schmetterlinge fangen. So blieb dann Bingham nichts anderes übrig, als alleine mit dem Tippgeber loszugehen.

Als sie die überwucherten Ruinen von Machu Picchu erreichten, stellten sie fest, dass ein Kleinbauer dort sein bescheidenes Feld hatte. Dies musste er aufgeben, als der Ort populär wurde. Keine Quelle gibt darüber Auskunft, ob er noch ernten konnte, ob er eine Entschädigung erhielt, ob er woanders ein neues Feld fand oder ob er mit seiner Familie in eine existentielle Krise geriet. Einfach war seine Situation sicher nicht. Wenn leicht erreichbare, zur Feldarbeit geeignete Flächen verfügbar gewesen wären, dann hätte er nicht diese Hochfläche gewählt. Aus der Sicht der Behörden war das Problem wahrscheinlich mit seiner Vertreibung erledigt.

Fachleute gehen davon aus, dass sich noch heute im Dschungel Südamerikas Ruinenstädte befinden, die der Wissenschaft unbekannt sind, die die lokalen Bauern aber kennen. Die Bauern verraten diese Städte nicht, z.B. aus Angst um ihre Felder. Ein hundert Jahre altes und noch heute weltweit gültiges Beispiel dafür, dass Privatpersonen extrem wertvolle archäologische Erkenntnisse haben, diese aber den staatlichen Stellen nicht verraten, weil diese in ihrer Weisheit entschieden haben, die Interessen des Melders mit Füßen zu treten. Leider ist dies bis heute nicht die Ausnahme, sondern die Regel.



[7]

So wurde der deutsche Forscher Leo Frobenius 1933 von Graf Ladislaus Almasy (romantische Forscherpersönlichkeit und historische Vorlage zu Buch und Film "Der englische Patient", dort allerdings historisch nur bedingt richtig dargestellt) zu Felsbildern in der Libyschen Wüste geführt. Später kam es zu Konflikten zwischen beiden, da Frobenius den Entdeckerruhm für sich beanspruchte.

Quelle: Beitrag „Abu Ramla – Vater des Sandes. Der Wüstenforscher Ladislaus E. Almásy“ von Machael Farin und Raoul Schrott, In: "Das große Spiel – Archäologie und Politik, Archäologie und Politik zur Zeit des Kolonialismus", Hrsg. Von Charlotte Trümpler, S.463ff, 2008

[8]

Nachzulesen in Hedins Beschreibung "Durch Asiens Wüsten".

[9]

Quelle: Abschnitt „Die Lokalisierung archäologischer Stätten und Bodenbefunde“ in "Basiswissen Archäologie" von Colin Renfrew und Paul Bahn, S. 61 . Colin Renfrew ist der wohl zur Zeit anerkannteste Archäologe des angelsächsischen Raums.

[10]

http://edition.cnn.com/2010/WORLD/europe/07/09/uk.roman.coin.treasure/?hpt=C2#fbid=48Rid5ZeJzK

[11]

Quelle: Artikel "Nach fast 20 Jahren zahlt Südtirol den Finderlohn für "Ötzi" "

http://nachrichten.t-online.de/175-000-euro-suedtirol-zahlt-finderlohn-fuer-oetzi-/id_42938614/index

[12]

Meldung des Herald Scotland vom 16.10.10
http://www.heraldscotland.com/news/home-news/museums-in-bid-for-nation-s-most-important-gold-hoard-1.1061921

[13]

Quelle: TV Doku "Kolumbus letzte Reise - Spurensuche im karabischen Meer". (C) Spiegel TV 2004. Die Sendung wird recht häufig auf Phoenix wiederholt.

Nachtrag 13.11.10

Den Fund eines mutmaßlichen Schiffes aus der Flotte von Kolumbus' letzter Reise durch Warren White zur Tabelle der Entdeckungen hinzugefügt.

Nachtrag 28.10.10

Der schottische Sensationsfund von David Booth der Tabelle bedeutender Entdeckungen hinzugefügt. Obwohl der Fund nach schottischem Recht dem Staat gehört, wurde für den Finder eine Belohnung von 460.000 Pfund vorgesehen.

Nachtrag 28.9.10

Erneute Medienberichte zur Belohnung der Finder im Fall Ötzi. Details siehe Fundtabelle .

Nachtrag 25.7.10

Münzschatzfund von Dave Crisp, gefunden bei Frome, Somerset, England zur Fundtabelle hinzugefügt.

Nachtrag 25.2.10

Absätze Der unbekannte Entdecker , Große archäologische Entdecker und ihre Tippgeber und Zufallsfinder samt Anmerkungen hinzugefügt. Anmerkungen nun als Links ausgeführt.

Nachtrag 2.2.10

Entdeckung des Hügelgrabes von Hochdorf zur Fundtabelle hinzugefügt.

Nachtrag 26.9.09

Spektakuläre Entdeckung des Sondengängers Terry Herbert zur Fundtabelle hinzugefügt.

Nachtrag 16.6.09

Neues zum Fundfall Ötzi. Siehe Tabelle bedeutender Entdeckungen.

(C) Thorsten Straub, www.sondengaenger-deutschland.de