Vorbemerkung

Dieser Artikel beschreibt ein Gedankenexperiment zur Sondengängerproblematik. Teilnahmeberechtigt sind nur Mitarbeiter der Bodendenkmalpflege deutscher Landesdenkmalsämter.



Durch welche Maßnahmen könnten Sie, rein hypothetisch, erreichen, dass Sondengänger ihre Funde nicht melden?



Vergleichen Sie die Liste der Ihnen einfallenden Maßnahmen mit den tatsächlich von Ihrem Amt praktizierten Verhaltensweisen. Wie groß ist das Maß der Übereinstimmung? Entspricht das Maß der Übereinstimmung den Interessen Ihres Amtes?

Als Belohnung für Ihre Mühe folgt eine kleine Karriereberatung für LDA Mitarbeiter in Zusammenhang mit dem Thema Sondengänger.

Nun soll hier nicht so getan werden, als ob Aufsteig oder Fall eines LDA Mitarbeiters primär von seiner Einstellung zu Sondengängern abhängt. Dafür ist das Thema zu unwichtig. Die deutschen LDAs haben ganz andere Probleme.

Dennoch gibt es zwei Umstände, die Sie im Auge behalten sollten:

Merkzettel

Niemand wir nur deswegen aufsteigen, weil er gegen Sondengänger ist und niemand kommt im gegenteiligen Fall auf die "schwarze Liste". Die Folgen sind viel subtiler - aber eben doch vorhanden. Wenn Sie Sondengängern etwas Positives abgewinnen können und nicht gerade der Chef sind - behalten Sie es besser für sich. (Das soll übrigens auch schon für Archäologiestudenten gelten.)

Bundesweit führend in der Sondengängerabschreckung ist Bayern. Wie in keinem anderen Bundesland ohne Schatzregal gelang es hier, in den Fundmeldestellen die aus Schatzregalländern bekannte Friedhofsruhe zu erreichen. So ein Erfolg kommt nicht von ungefähr. Die bayerische Bodendenkmalpflege wurde Schritt für Schritt zu einem "Kompetenzzentrum Sondengängerabschreckung" ausgebaut, das auch andere Landesdenkmalsämter gerne berät bzw. im Verband des Landesarchäologen seine diesbezügliche Kompetenz gerne weitergibt.

Nachfolgend sind als Inspiration Maßnahmen aufgeführt, die das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege BLFD tatsächlich praktiziert bzw. praktizierte. Vielleicht nicht immer explizit zur Sondengängerabschreckung gedacht, aber doch mit diesem Endeffekt. Eine Art Musterlösung. Für jede Maßnahme, die Ihnen eingefallen ist, gibt es einen Punkt. Natürlich auch, wenn sie nicht in der Musterlösung aufgeführt ist. Dann sollten Sie sie jedoch dem BLFD vorschlagen. Gehen Sie nun bitte mit Ihrer Punktzahl in die Bewertung am Schluss

Musterlösung

Bewertung

0-4 Punkte: Sie sind niemals ein Mitarbeiter eines Landesdenkmalsamtes (LDA). Jede Putzfrau dort kann mindestens 5 Maßnahmen gegen Sondengänger herunterbeten, wenn man sie nachts aus dem Schlaf wachrüttelt. Da Sie somit nicht teilnahmeberechtigt waren, haben Sie gemogelt. Schämen Sie sich und verlassen Sie umgehend meine Website. Gehen Sie hier hin und zählen Sie zur Strafe die Anzahl der eingetragenen Bodendenkmäler in einem beliebigen Landkreis.

5 Punkte: Wenn sie weniger als 4 Wochen beim LDA sind: OK, das kann was werden. Wenn Sie länger dabei sind: Es bezahlt die Miete, aber aufsteigen werden sie dort nie. Kopf hoch, das Leben besteht nicht nur aus Arbeit.

6-7 Punkte: Sie haben solide Kenntnisse. Respekt. Was Ihnen jedoch noch fehlt, ist die richtige Einstellung, der unbedingt Wille zum Erfolg. Quantität zählt hier nicht. Sie sollten nicht versuchen mehr Maulwurfshügel zu nationalen Archäologieheiligtümern zu erklären als ihr Kollege im Nachbarzimmer. Seien sie stattdessen kreativ, gehen sie neue Wege. Naheliegend wäre, das Pentagon dazu zu bringen, die Bildverarbeitungssoftware in den Spionagesatelliten so zu modifizieren, dass sie auch die Wärmesignatur von Sondengängern im Wald erkennt. Das ist natürlich nur ein Beispiel, das darüber hinaus so bekannt ist, dass Sie nicht versuchen sollten es als eigenen Gedanken zu verkaufen. Ich werde nicht Ihre Arbeit tun.

8-10 Punkte: Sie haben außergewöhnliche Kenntnisse und vor allem die richtige Einstellung. Sie WERDEN im LDA aufsteigen, WENN Sie an sich glauben, Budgetsituation hin oder her.
Diese wird sich von selber verbessern, wenn Sie in einem Schatzregalland tätig sind und es Ihnen gelingt, Sondengängern mit Hilfe der Justiz und des Schatzregals ihre Jahrtausenfunde wegzunehmen, „abzumellern“, wie es im Jargon heißt. Moralisch gesehen vielleicht fragwürdig, immerhin hatten die die ganze Arbeit, aber formaljuristisch einwandfrei und der Zweck heiligt schließlich die Mittel.

Verschwenden Sie möglichst wenig Zeit mit Sacharbeit, oder wollen Sie irgendwann zu diesen bedauernswerten 55 jährigen Kollegen gehören, die sich mit administrativen Aufgaben verschlissen haben, und depressiv werden, wenn sie sich in Erinnerung rufen, warum sie einst Archäologie studierten? Überlassen Sie die in Deutschland doch meist ohnehin todlangweiligen (wenn wir ehrlich sind) Befunde den anderen. Entweder richtige Archäologie am Ende der Welt (DAI) oder administrativer Aufstieg in Deutschland. Für den Aufstieg braucht es AUßENWIRKUNG und WAHRNEHMUNG. Gewöhnen Sie es sich an, beide Worte vor dem Schlafen 50 mal laut aufzusagen.

Besuchen Sie möglichst viele Archäologenkongresse. Sie kennen dort niemand? Egal. Treten Sie auf eine Gruppe wildfremder Menschen zu, sagen Sie „Verdammte, geldgierige Sondengänger! Alle diese gestörten Befunde!“ (ggf. in der englischen [1] oder chinesischen Übersetzung) und erfreuen Sie sich an der Anerkennung. Man wird Sie als einen der ihren akzeptieren.

Mehr als 10 Punkte: Was Mozart in der Musik, sind Sie in der Bodendenkmalpflege. Wenn einer Sondengänger davon abhalten kann, Befunde zu zerstören, dann Sie. Sie wissen genau, dass Sondengänger des Geldes wegen suchen und fallen auf Argumentationsversuche aus Sondengängerkreisen nicht herein. Heute erzählen die was von Amateurarchäologie und Fundverteilungen, morgen verhökern sie Funde nationalen Ranges bei Hermann Historica? Nicht mit Ihnen! Sie sind wachsam und haben gute Kontakte zu lokalen Münzhandlungen.

Mit Sondengängern haben Sie keinen oder nur minimalen Kontakt, hatten ihn nie und wollen ihn auch in Zukunft nicht. Sie wissen genug um zu wissen, dass Sie gar nicht mehr über diese Leute wissen wollen. Die stehen auf der anderen Seite.

Statistisch gesehen ist es wahrscheinlich, dass Sie entweder weit unten (Archäologiestudent in den ersten zwei Semestern, Rollenspieler oder ehrenamtlicher Scherbensammelrentner) oder weit oben (zumindest Referatsleiter in einem LDA) in der amtsarchäologischen Hierarchie angesiedelt sind.

Nachfolgendes gilt nur für die letztgenannte Personengruppe:

Bewerben Sie sich umgehend um die Stelle als Leiter der Bodendenkmalpflege in einem LDA ihrer Wahl. Natürlich nur, falls Sie dieses Amt nicht schon bekleiden.

Ich setze voraus, dass Sie engagiert sind, sich solide hochgedient haben, und fachlich kompetent sind. Das finstere Wesen der Sondengänger erkannt zu haben ist richtig und wichtig, aber bei weitem keine ausreichende Qualifizierung für den Job. Zumindest noch nicht, da bislang zu viele Kollegen die Bedrohung nicht realistisch genug wahrnehmen. Sondengänger gelten lediglich als lästige Randerscheinung des amtsarchäologischen Betriebs. Lehrjahre in Baden-irgendwas sind ein Vorteil. Dort hat man die Sondengängerbedrohung früher und klarer erkannt als irgendwo sonst.

Führungsfähigkeiten sind ein klares Plus, aber nicht entscheidend. Angesichts des mikroskopisch kleinen Arbeitsmarktes für Archäologen in Deutschland wüssten die meisten Ihrer Mitarbeiter ohnehin nicht, wo sie sonst hin sollten. Nur Mobbingprozesse sollten Sie auf jeden Fall vermeiden. Als Eselsbrücke hat sich hier die Maßeinheit für das Mostgewicht von Weintrauben bewährt.

Sehr wichtig ist, dass Sie bei einmal gefällten Entscheidungen bleiben, auch wenn diese beim Würfeln oder im Vollrausch entstanden.

Lassen Sie sich nicht mit der Bemerkung abwimmeln, man hätte schon einen Leiter. Das sagen die immer. Der Typ mag ein guter Handwerker sein, Sie sind Mozart !
Wichtig ist, dass Sie die üblichen Fehler vermeiden: Keine ellenlangen Publikations- oder Zitatslisten. Geschwätzigkeit, auch fachliche, auch schriftliche, ist keine Einstellungsvoraussetzung mehr und das „zitierst du mich, zitier’ ich dich“ Spiel haben die Empfänger Ihrer Bewerbung schon gespielt als Sie noch zur Schule gingen. Ein bisschen was müssen Sie natürlich vorweisen, aber das kann jeder, der lange genug dabei ist.

Bitte auch kein Auswalzen der Dissertation. Ja, auch die muss formal gesehen kurz erwähnt werden, aber man wirbt ja auch nicht damit, dass man eine Nase hat. Glauben Sie wirklich irgendjemand interessiert sich ernsthaft für Ihre 20 Jahre zurückliegende, statistische Auswertung der Hallstatt IIIc Scherben aus dem nördlichen Niedersachsen? Eben.

Legen Sie einfach die üblichen Unterlagen bei, *achten Sie aber darauf, dass oben rechts auf allen Blättern ein durchgestrichener Sondengänger angebildet ist. Legen Sie Ihren Anti-Sondengänger-Maßnahmenkatalog obenauf, noch über dem Anschreiben*. Meistens werden ohnehin nur die ersten Seiten gelesen und der Rest nach dem Gewicht beurteilt. Spaßvögel legten früher ein halbes Pfund Fotokopien der Mao-Bibel im chinesischen Original bei, um zu sehen, ob das überhaupt jemanden auffällt. Sollte man nicht mehr tun.

Sie sollten sich Ihren Maßnahmenkatalog evtl. vorher urheberrechtlich schützen lassen, aber keineswegs publizieren (oder nur in Publikationen, die nach menschlichem Ermessen nie jemand lesen wird; gibt es in der Archäologie genug). Auch nicht im Verband der Landesarchäologen erwähnen. Alles dies würde nur dazu führen, dass Sie Ihren Vorsprung bzw. Ihr Alleinstellungsmerkmal verlieren. Warum die Konkurrenz stärken. Bewerbung abschicken, am Telefon warten. Selbst wenn Sie den Posten nicht bekommen (leider wahrscheinlich), wird das Ihre Position in der Welt der deutschen Archäologie stärken. Denken Sie immer daran, wie klein diese Welt ist und wie sie beschaffen ist, siehe Merkzettel.

Niemand von den mächtigen Sondengängerkritikern wird Ihnen eine extrem negative Sondengängerposition übel nehmen, selbst wenn er sie persönlich nicht teilt. Jede andere Einstellung hat weniger strategisches Potenzial. Etwas einlenken kann man später immer noch. Lieber als dogmatisch gelten, denn als "weich". Positive Äußerungen zu Sondengängern hingegen erfordern permanente Rechtfertigungen und Differenzierungen und sind also ganz schlecht. In der Welt der Außenwahrnehmung ist der Hammer und nicht das Florett das Mittel der Wahl.










Quellen und Anmerkungen



[1]

Sprich "Demmit, griedy ditektorists ! Ohl sies distörbt Kontextes ! "

(C) Thorsten Straub, www.sondengaenger-deutschland.de