Ein tiefer Fund (5/11)

Wiederum musste ich mit dem Detektor eine längere Strecke zurücklegen, in der nichts Nennenswertes gefunden wurde. Dann zeigte der Detektor ein großes (größer als eine Coladose) und tiefes Eisenobjekt an.

Ich mag große Eisenobjekte sehr gerne, insbesondere in diesem Gebiet, wo sich alle Münzen als traurige Überbleibsel des 20. Jhd. erwiesen hatten.
Gerade in der Zeit des Nationalsozialismus hatte man offenbar viel im Wald gearbeitet (Arbeitsdienst?) und dabei einige Kleinmünzen und sehr, sehr viele vergrabene Konservenbüchsen zurückgelassen. In einigen Regionen wusste ich immer dann, wenn bei einem Stein oder an einem großen Baum ein großes Eisensignal geortet wurde, dass wieder die Bergung einer geleerten Konservendose bevorstand.

Tatsächlich fand ich in dem ganzen Wald keine einzige Münze, die älter als gut hundert Jahre war. An früheren Sondengängern kann das nicht gelegen haben, da ich jede Menge Jägerhülsen fand. Nach solchen Signalen gräbt jeder Sondengänger.

Wenn also die Nichteisenfunde auch meist uninteressant waren, so bleibt das Ausgraben eines großen, tiefen Eisenobjekts doch immer eine spannende Sache. Eine Art Überraschungsei für große Kinder. Die bisher gezeigten Funde wurden immer ausgegraben präsentiert, aber natürlich sieht man beim Graben zunächst nur einen kleinen Teil des Objektes. Seine Konturen bleiben zunächst unklar, und da man langsam und vorsichtig graben muss, bleibt viel Zeit zum Rätselraten, zum Hoffen und Bangen, zum Aufstellen und Verwerfen von Theorien darüber, was man denn nun gefunden hat.

Ganz besonders schlimm ist das bei Blankwaffen, z.B. bei großen, alten Messern, den so genannten Bauernwehren. Man stößt meist zuerst auf die Mitte des Objektes und kann dann lange nicht entscheiden, ob man nun eine Blankwaffe oder ein ordinäres Bandeisen gefunden hat. Dazu muss man sich erst langsam an die Enden vorarbeiten. Man kann die Blankwaffe, wie alle guten Funde, auch nicht einfach heraushebeln, denn Spitze und Schneide sind sehr dünn und damit empfindlich. So können 30 oder noch mehr Minuten vergehen, ehe man weiß, ob man Schrott oder ein schönes Stück gefunden hat.

Die absolut tollste Situation der Sondengängerei ist es, wenn man sich bei der Bergung sicher ist, etwas ganz Besonderes gefunden zu haben, man aber noch nicht erkennen kann, was. In solchen Situationen verengt sich die gesamte Welt auf das Loch, das man vor sich hat. Ich würde es gegen alles und jeden verteidigen. Wie auch so manchen darin gemachten Fund. So ähnlich wie das Verhältnis der bekannten Eichhörnchenratte „Scrat“ aus den „Ice Age“ Filmen zu seiner Eichel.

Scrat

Sucher und Fund

Suche und Zufall

Diese lange und spannende Phase der Bergung eines potentiell aufregenden Fundes zählt für mich zu den schönsten und aufregendsten Momenten der gesamten Schatzsuche. Verglichen damit ist der Besitz der Funde hinterher oft sekundär.

Ich bin alles andere als religiös, aber in solchen Momenten der Bergung fange ich manchmal das Beten an „Bitte, bitte lass’ es etwas ganz Tolles sein!“ Vielleicht sollte man für sich die Existenz eines Gottes der Sucher postulieren? Auch heute noch gießen einige Schweizer Mineralsucher etwas Wein auf besonders schöne Kristallfunde, wenn sie am Abend anstoßen. Ähnlich wie die Indios nach der Ernte. Eine Opfergabe.

Ich bin sicher, dass Situationen des Risikos, der quälenden Ungewissheit und der eigenen Ohnmacht ausschlaggebend dafür waren, dass die Leute irgendwann die Existenz eines höheren Wesens annahmen. Man konnte mit dem dann einen Deal „Protektion gegen Wohlverhalten“ abschließen und somit mittelbar wichtige Dinge beeinflussen, die man unmittelbar nicht beeinflussen konnte. Man gefiel dem Gott und der würde sich dann schon um das Problem kümmern. Es sei denn, man hat ihm nicht genug gefallen.

Zu den so erbetenen Dingen gehörte neben Ernte und Krieg auch das Jagdglück und Sondengänger sind, wie alle Schatzsucher, auch Jäger. Hardcoresuchern sind ihre Spitzenfunde sehr wichtig, oft jenseits aller Ratio. Siehe Scrat.

Zurück zum großen, tiefen Eisensignal. Mittlerweile hatte ich das Loch auf 20 cm vertieft. Ab dieser Tiefe wird das Graben mit so einem Gartenwerkzeug wirklich mühselig, aber für die meisten Funde reicht das vollauf. Als mein Handdetektor (15 Euro Kabeldetektor aus dem Baumarkt) immer noch nichts orten konnte, wurde ich doch etwas misstraurisch. War ich einem Fehlsignal des Detektors aufgesessen? Ich schwenkte die Spule erneut über das Loch und der Detektor bestand darauf, dass dort in der Tat ein Metallobjekt vorhanden war.

Nun können mehrere, kreisförmig angeordnete, kleine Objekte die Präsenz eines zentralen großen Objektes vortäuschen, wenn man nachlässig ortet. Auf diese Art habe ich mich mal halb nach China durchgegraben, ehe ich endlich merkte, dass ich inmitten einer großen Fahrradfelge grub. Aber hier wurde eindeutig ein zentrales Objekt angezeigt.

Sobald eine gewisse Tiefe erreicht ist, muss man das Loch erweitern. Durch die herabfallende Erde wird das Loch wieder halb aufgefüllt und man hat das Gefühl, wieder von vorne anzufangen. Nach diesem Tag hatte ich immer einen Spaten dabei, auch wenn ich ihn oft nicht brauchte.

Irgendwann war das Loch knapp 30 cm tief. Zwischendurch hatte ich immer mal wieder vergeblich mit dem Handdetektor Boden und Wände geprüft. Ich grub jetzt schon 30 Minuten. Dann gab mein Handdetektor an einer Stelle des Bodes einen Ton von sich. Es musste Metall geben. An der Stelle kam ein – Tataaa! – Eisenring mit einigen cm Durchmesser zum Vorschein. Na toll. 30 Minuten graben für einen Eisenring. Das wird in die Annalen der Schatzsuche eingehen. Trotzdem grub ich weiter. Irgendwo in der Umgebung sorgte ein Specht für die passenden akustische Untermalung.

Als ich eine Tiefe von 40 cm erreicht hatte, stellte sich heraus, dass der Eisenring nicht isoliert im Erdreich lag, sondern am oberen Ende eines Stegs befestigt war. Ein Zelthering vielleicht? Ich würde zum Gespött der ganzen Sucherschaft werden. 1 h Graben für einen Hering. Aber ich grub weiter. Der Eisensteg setzte sich in die Tiefe fort und zwei kleine Eisenplatten wuchsen mir aus dem Boden entgegen. Das nachfolgende Bild zeigt die Situation. Ring-Steg (links) und Platten sind markiert.

Hipposandale in situ

Hä?

Was sollte das denn sein? Drei Schrotteile statt einem, als eine Art Trost? War ich in „Verstehen Sie Spaß?“ geraten und irgendwo in den Bäumen waren Kameras versteckt?

Ich grub schicksalsergeben weiter und stellte einige cm tiefer fest, dass die vermeintlichen drei Teile zu einem einzigen Objekt gehörten. Ich traute meinen Augen nicht, es war ein römisches Hufeisen, eine so genannte Hipposandale. Ihre Basisplatte lag mit 45 cm für einen Sondengängerfund ungewöhnlich tief.



Hipposandale Römische Hipposandale. 2.-5. Jhd. n. Chr.

Hintergrund

Ich hatte solche Hipposandale schon in der Literatur gesehen, aber nicht im Traum daran gedacht, jemals selber eine zu finden. Kein anderer Sucher, den ich persönlich kenne, hat jemals eine gefunden.

Die Römer befestigten die Eisen nicht mit Nägeln an den Hufen, sondern verbanden die Fesseln des Tieres mit Lederbänder mit dem Ring in der Heckleiste und dem Fronthaken. Die Winkel an der Seite gaben zusätzlichen Halt.

Dies waren die ältesten Hufeisen. Aus ihnen entwickelte sich über viele Jahrhunderte die heute so bekannte U Form, die seit dem 8. bis 10. Jhd. in Mitteleuropa nachgewiesen ist.

Ich fand – auch im Bereich einer Römerstraße, aber an einer ganz anderen Stelle und vor langer Zeit - sogar einmal eine Zwischenform, die schon U förmig war, aber noch die Seitenwinkel mit Haken hatte, jedoch keine Heckleiste mehr. [3]

Als ich dieses „missing link“ voller Begeisterung dem BLFD meldete, meinten die nur „Erstens kennen wir so etwas schon und zweitens erkennen wir nichts als römisch an, was nicht aus einer eindeutig römischen Schicht stammt.

Aha. 99,99% aller Sondengängerfunde werden so oberflächennah gefunden, dass sie zu keiner datierbaren Schicht gehören. Wenn die Funde also i.d.R. ohnehin wissenschaftlich nicht verwertbar sind, warum sich dann über Sondengänger als angebliche Befundstörer aufregen? Die Amtsarchäolgen machen es einem nicht immer leicht sie ernst zu nehmen.

Hipposandale Fundloch Hipposandale auf Säge.

Utensilien

Metalldetektor, geliebte Säge, Hipposandale, Zollstock, Messer (eigentlich nutzlos, aber man kann damit immerhin gezielt herumstochern), Grabwerkzeug und Handdetektor. Nachdem das Graben insgesamt etwa 1 h gedauert hat, die Hälfte davon mit aufgeschlagenen Knöcheln (wann war noch die letzte Tetanusimpfung?) , nahm ich danach sicherheitshalber auch immer einen Spaten mit. Auch wenn ich ihn oft nicht brauchte.

Und was den 15 Euro Handdetektor anbelangt, so habe ich ihn inzwischen nach vielen Jahren treuer Dienste gegen einen richtigen Pinpointer, dem Ende 2008 eingeführten Garrett ProPointer eingetauscht. Der ist viel empfindlicher (etwa 40% mehr Tiefe als der altbekannte Merlin), erfasst das Objekt viel schneller.

Ja, man kann Erde in die Hand nehmen und an der Hauptspule vorbeiführen, aber das sind doch mittelalterliche Methoden. Mit dem Pinpointer kann man viel schneller gezielt graben. In aller Regel muss ich nun während des Ausgrabens den Hauptdetektor nicht mehr kontrollierend zur Hand nehmen. Wenn man am Tag 60 Objekte ausgräbt und bei jedem 1 Minute spart, so ergibt das auch eine Stunde mehr Suchzeit.

In einem Parallelprojekt suche ich auf einem ehemaligen Schießstand [24] des 19. Jhd. nach spitzen Vorderladerkugeln. Die Projektile – meistens leider die gewöhnlichen, kugelförmigen - liegen oft dicht an dicht und mit einer 12 Zoll Spule wird man da irgendwann wahnsinnig. Ein Einsatzgebiet par excellance für einen guten Pinpointer, wie ihn viele renommierte Firmen anbieten.

Archäologische Bedeutung

Nach der Fibel hatte ich nun meinen zweiten eindeutig römischen Fund ! Das machte immer noch keine Römerstraße, aber einen Fund, der mehr mit dem Verkehr verbunden ist, hätte ich mir gar nicht wünschen können. Hatte ich die alte Trasse gefunden? Ich blickte mich um. Das Gelände sah überhaupt nicht nach einer Trasse aus, alles war sehr uneben. War das eine Veränderung in den 15 Jahrhunderten, die seit dem Ende der römischen Herrschaft vergangen waren?
Am nächsten Tag suchte ich die Umgebung im weiten Umkreis sehr gründlich ab. Es wurde außer modernem Unrat nichts gefunden, kein einziges historisches Objekt, erst recht nichts Römisches. Die Hipposandale musste wie die Fibel als isolierter Einzelfund betrachtet werden.






(C) Thorsten Straub, www.sondengaenger-deutschland.de