Im Jahr 2003 fand der Hobbyarchäologe Michael Zimmermann eine überaus seltene Ritterrüstung, einen sog. Plattenrock, auf dem Gelände des Burgstalls Hirschstein bei Passau. Ein Plattenrock besteht aus mit Ketten verbundenen Blechen. Interessierte Leser finden nähere Informationen und Bilder des Fundes auf der Homepage des Finders www.mesa-online.de .

Dieser Fall ist der einzige mir bekannte, spektakuläre Fund eines Sondengängers in Deutschland, in dem es nicht zu einem Rechtsstreit kam, obwohl der Fund in einem Nichtschatzregalland (Bayern) gemacht wurde und der Finder seine Ansprüche geltend machte. Zum einen war den Beteiligten der materielle Wert des Fundes die längste Zeit nicht klar, zum anderen hatte sich der Finder frühzeitig die alleinigen Eigentumsrechte an dem Fund gesichert und war rechtlich unangreifbar.

Die Fundgeschichte würde genug Stoff für einen längeren Artikel liefern. Hier kann nur zusammengefasst wiedergegeben werden, wie der Finder sie gegenüber sondengaenger-deutschland.de schilderte:

Lange Jahre suchte der Finder im Einvernehmen mit der Kreisarchäologie mit dem Metalldetektor. Auf dem Burgstall Hirschstein suchte er von 2001 bis 2003. Besondere Funde meldete er sofort, die anderen in der ortsüblichen Weise einmal jährlich im Herbst.

Ab 2002 fand er Teilplatten, ohne diese Funde jedoch zunächst als Teile eines Plattenrocks zu erkennen. Erst als in 2003, am Ende der systematischen Suche auf dem Burgstall, die Brustplatte unmittelbar unter der Grasnarbe gefunden wurde, erkannte der Finder, dass sie gemeinsam mit den früher gefundenen ca. 30 Teilen einen zu 80% kompletten Plattenrock bildeten und meldete dies der Kreisarchäologie. Bereits 2004 wurde der Rock in Asbach öffentlich ausgestellt.

Vereinzelt ist in Internetpublikationen zu lesen – und auch diese Website übernahm diese Darstellung zunächst mit der Einschränkung „dem Vernehmen nach“ – dass der Fund im Rahmen oder im Anschluss an eine offizielle Grabung gemacht wurde. Dies ist nicht korrekt. Die amtliche Grabung, bei der auch antike Funde gemacht wurden, war eine Folge des Fundes, nicht seine Ursache.

Die Burg Hirschstein ging im späten 14. Jhd. im Kampf unter und wurde unter einstürzenden Gebäuden gewissermaßen im Kampf versiegelt. Eine seltene Situation, die hochinteressante Grabungsergebnisse verspricht, zumal der Burghügel schon in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt war, wie die Grabung ergab. Dennoch wurde die weitere Erforschung amtlicherseits eingestellt, was Herr Zimmermann sehr bedauert.

Der Finder erwarb die alleinigen Eigentumsrechte als Vorbereitung des Versuches ein Plattenrockmuseum in Passau zu gründen. Das gelang jedoch nicht. Ebenfalls vergeblich versuchte er lange Jahre den Fund zum Selbstkostenpreis (Restaurierungskosten) von vergleichsweise bescheidenen 20.000 Euro an das Oberhausmuseum in Passau zu verkaufen, obwohl ihm aus USA lukrativere Angebote vorlagen.

Seitens der archäologischen Fachwelt wurde der Fund lange Zeit ignoriert. Zu einer Würdigung des Finders kam es nicht. Wie Herr Zimmermann erklärte, konnten die Behörden erst durch die Versteigerung des Fundes im Jahr 2007 bei Hermann Historica veranlasst werden, den Fund offiziell als bedeutsam anzuerkennen.

Die Behörden reagierten auf die geplante Versteigerung zum einen mit rechtlichen Repressalien. Drei Anzeigen, beginnend am 1 Mai 2007 – wohlgemerkt 4 Jahre nach dem Fund - wegen Raubgrabung, Hehlerei und Unterschlagung blieben jedoch mangels Substanz ohne rechtliche Konsequenzen für den Finder.

Zum anderen erklärten sie den Plattenrock im Eilverfahren zum nationalen Kulturgut, was ein Exportverbot zur Folge hatte. Der Rock wurde für 66.000 Euro an das bayerische Armeemuseum in Ingolstadt verkauft, was - gemessen am weltweiten Marktwert - eine sehr geringe Summe ist. Ein Museum in den USA hätte sehr viel mehr geboten, dem Vernehmen nach die fünf- bis zehnfache Summe. Für den Finder bedeutet das konkret, dass er nach Abzug aller Kosten, z.B. für die Restaurierung und die nicht unerheblichen Gebühren des Auktionshauses, statt ca. 1/2 Million Euro einige zehntausend Euro übrig behält.

Heute ist das Verhältnis zwischen dem Finder und der amtlichen Archäologie stark getrübt. Auf meine Frage, ob er im Nachhinein von einem Happy End seiner Fundgeschichte sprechen würde, verneinte er. Zwar sei der Fund des Plattenrocks ein sehr schöner Sucherfolg. Es freue ihn auch sehr, dass der Fund in einem deutschen Museum geblieben sei. Dennoch bleibe der Plattenrock für sich ein Einzelfund. Seine wahre Bedeutung läge darin, auf die archäologische Relevanz des Burgstalls Hirschstein hinzuweisen, und eben dessen nun so offenkundig viel versprechende Erforschung unterbleibe. Leider teile die staatliche Archäologie sein Interesse an der Erforschung des Burgstalles nicht. Heute arbeite er ausschließlich theoretisch über den mutmaßlichen ehemaligen Besitzer des Plattenrocks, den Ritter Haderer, was noch einige Jahre in Anspruch nehmen werde. Weitere Detektorsuchen unternehme er nicht und Suchgenehmigungen für den Burgstall würden auch nicht mehr vergeben werden.

Typisch am Fundfall des Plattenrocks ist, dass die lokale Archäologie oft gerne mit Sondengängern zusammenarbeitet. Sobald jedoch etwas Außergewöhnliches gefunden und somit die Aufmerksamkeit höherer amtsarchäologischer Kreise in der fernen Landeshauptstadt erregt wird, übernehmen diese die Führung und verdrängen den Sondengänger aus dem weiteren Erforschungsprozess. Statt archäologisch-fachlicher Anerkennung erfahren Finder Versuche der Kriminalisierung. Dies geschieht selbst dann, wenn, wie im Fall des Plattenrocks, die Suche in Abstimmung mit der Kreisarchäologie erfolgte, diese vom Sucher stets zeitnah informiert wurde und sich der Sucher gesetzeskonform verhielt.

Der Fall ist ein trauriges Beispiel dafür, dass selbst diejenigen Sondengänger als archäologische Schädlinge oder unliebsame Konkurrenten angesehen werden, die durch ihre Entdeckungen die geschichtliche Relevanz des Ortes erst enthüllt haben. Ebenso typisch für die Situation in Deutschland ist leider, dass private Finder außergewöhnlicher historischer Fundstücke ihre Erfahrungen mit den staatlichen archäologischen Stellen im Nachhinein negativ bewerten. Es ist daher anzunehmen, dass viele Funde den staatlichen Stellen nicht bekannt gemacht werden und somit dem Erkenntnisfortschritt nicht zur Verfügung stehen.

(C) Thorsten Straub, www.sondengaenger-deutschland.de