Sondengänger, Fundzusammenhang und Befund
In der Archäologie geht es, nach den Lehrbüchern, nicht primär um Funde sondern um Befunde und um die durch die Funde, ihre Lage zueinander etc. repräsentierte Information. Bei den in Deutschland üblichen, eher unspektakulären Funden ist das meist auch zutreffend.
Irdischen Besitztümern wirklich abgeneigt sind aber auch die hehren Archäologen offenbar nicht wirklich. Haben sie doch die rechtliche Institution des Schatzregals in den meisten Bundesländern eingeführt. Denn dieses Gesetz, das mehr als alle anderen zur Fundverheimlichung beiträgt, zielt gerade auf das Eigentum an den Funden ab. Gäbe es nur die Vorschrift archäologische Funde den Behörden längstens 6 Monate zur Auswertung zu überlassen, würden sicher mehr Funde gemeldet werden. Der Fundzusammenhang ist bei diesen zwar mangels Dokumentation oft zerstört, aber immerhin erfährt man überhaupt von diesen Funden und dem Fundort.
Ein Kritikpunkt der Amtsarchäologie an den Sondengängern ist, dass sie Funde ohne Rücksicht auf den Fundzusammenhang undokumentiert ausgraben. Es gehe nur darum, in den Besitz des georteten Gegenstandes zu kommen. Subtile Spuren im Erdreich, wie die Verfärbungen, die organische, mittlerweile vergangene Stoffe hinterlassen haben, werden gar nicht erst bemerkt oder ignoriert. Jede Ausgrabung, auch die der Archäologen, zerstöre den Fundzusammenhang, aber bei den Archäologen würde die in den Erdschichten enthaltene Information in die Dokumentation transferiert und sei damit nicht verloren, sondern vielmehr in eine Form umgewandelt, die der Wissenschaft zugänglich sei.
Für die allermeisten Sondengänger ist das theoretisch richtig, allerdings gibt es meiner Meinung und Erfahrung nach bei den üblichen oberflächennahen (20-30cm) Funde schlichtweg keine Befunde, die man zerstören könnte, von Ausnahmefällen abgesehen. Die allermeisten Sondengängerfunde sind Verlustfunde ohne umgebenden Befund. Die verlorene Münze, die verschossene Musketenkugel erzeugt im Moment ihres Aufpralls auf den Erdboden keine Siedlung darin. Und auch die Ausnahmefälle sind nicht weiter dramatisch, da der Sondengänger in aller Regel Orte absucht, die nach menschlichem Ermessen die Archäologen niemals untersuchen werden. Und selbst wenn, schieben sie erstmal die obere Erdschicht mit dem Bulldozer ab. Somit ist die amtsarchäologische Argumentation rein akademischer Natur.
Es ist allerdings richtig, dass Sondengänger, von Ausnahmen abgesehen, keine Fundkarten erstellen und der Fundzusammenhang, falls es einen gibt, mit dem Ausgraben verloren geht. Darauf angesprochen, reagieren viele Sondengänger mit Unverständnis. Zwar wolle man durchaus geschichtliche Zusammenhänge erkennen, aber das Erstellen der Karte koste zu viel Zeit, die dann bei der eigentlichen Suche fehle. Der Durchschnittssondengänger repräsentiert den Bevölkerungsdurchschnitt und ist somit kein wissenschaftlicher Typ.
Das Anlegen der Fundkarte unterscheidet meiner Meinung nach den Amateurarchäologen vom Jäger und Sammler ohne wissenschaftliche Ambition. Gerade die kartierte flächige Verteilung der Funde gestattet Rückschlüsse auf die Geschehnisse an diesen Ort, so wie ein Kriminalbeamter Tatortspuren sichert und interpretiert. Der Arbeitsbereich eines prospektierenden Sondengängers ist gewissermaßen zweidimensional, im Gegensatz zum dreidimensionalen Arbeitsraum des grabenden Archäologen.
Ironischerweise wird das Nichterstellen von Karten durch die Verbotsversuche der Archäologen noch weiter gefördert. Denn der Heimatforscher ist weit mehr als der Sammler auf Rechtssicherheit angewiesen, weil er dokumentieren und publizieren will. Es ist kein Zufall, dass es so gut wie keine von Sondengängern publizierten Untersuchungsergebnisse gibt.
Es ist geradezu ein Markenzeichen der weltweiten Archäologie seit dem Ersten Weltkrieg, dass die durch sie initiierten gesetzlichen Hemmnisse ihr eigentliches Ziel nicht oder fast nicht erreichen, dafür aber sehr viel Kollateralschaden hervorrufen. Dass sie alle Schichten der Bevölkerung zu Gegnern der archäologischen Ämter machen. Dass sie im Endeffekt genau das Verhalten fördern, dass sie eigentlich bekämpfen sollten. Und zwar in einem Maße, das jeden gesamtgesellschaftlichen, aber sogar auch jeden archäologischen Nutzeffekt überkompensiert und ins Negative verdreht.
Das passiert, wenn man den Bewohnern des Elfenbeinturms eine überstarke Einflussnahme auf die Gesetzgebung gestattet, also einer Tätigkeit, die gesellschaftliches Augenmaß erfordert. Das haben Archäologen nun einmal nicht bzw. das interessiert sie nicht.
Rückblickend wäre die deutsche Archäologie heute viel weiter, wenn man nie die Denkmalschutzgesetze in ihrer heutigen, restriktiven und lebensuntüchtigen Form ins Leben gerufen hätte. Die Krise der Archäologie ist hausgemacht. Das hat auch historische Gründe.
Karte Fundverteilung Mit dem heimischen PC erstellte Kartierung einer Fundverteilung. Die Grauwerte drücken das Geländerelief aus. Die lila Umrandung markiert das abgesuchte Areal. Jedes farbige Symbol steht für einen Fund, wobei die Symbolart die Fundart (z.B. Münzen, Munition oder Werkzeuge) ausdrückt. Die Farbe der Symbole gibt Auskunft über die Zeitstellung (vulgo Alter) des Fundes.
Update 28.8.10
Erweitert.
(C) Thorsten Straub, www.sondengaenger-deutschland.de