Ein Hortfund von Ösenringbarren aus der Bronzezeit



Ösenringbarrenhort von Kirchseeon Präsentiert von der archäologischen Staatssammlung, München, am Tag der offenen Tür ihrer Werkstätten am 9.11.08



Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen

BLFD: Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, München
AS: Archäologische Staatssammlung, München


Chronologischer Ablauf

Im März 2008 fand der Sondengänger R.R. (Name dem Autor bekannt) in der Nähe der Ortschaft Kirchseeon bei München einen Ösenringbarrenhort aus der frühen Bronzezeit (2200 – 1600 v.Chr). Die Kupferbarren lagen etwa 25-40 cm tief. Der Finder suchte seit fast drei Jahrzehnten und war eigentlich auf der Suche nach Militaria des 2. Weltkriegs. Dies war sein erster Hortfund.

Der Fund wurde am 8.3.08 gemacht und im Boden belassen. Das BLFD wurde am 10.3. informiert, lehnte eine Bergung jedoch ab [6]. Am 17.3. informierte der Finder die AS, die am 18.3. nach Rücksprache mit dem BLFD die Blockbergung des Hortes durchführte. Anwesend waren neben dem Finder vier Mitarbeiter der AS.

Der restaurierte Hort wurde am 9.11.08 im Rahmen des Tages der offenen Tür der Restaurierungswerkstätten der AS und des bayerischen Nationalmuseums der Öffentlichkeit präsentiert (siehe Fotos). Informationswände gaben Auskunft über den Fund- und Meldeablauf, zeigten den genauen Fundort als Kreuz auf einer Karte sowie mehrere während der Bergung entstandene Fotos. Ein Mitarbeiter der AS beantwortete die Fragen der Besucher zum Hort.

Während die archäologischen Fragen natürlich korrekt und sachverständig beantwortet wurden, zeigte sich der Mitarbeiter bezüglich der Sondengänger eher unzulänglich informiert. Auf die Frage eines Besuchers, wie denn die Eigentumsregelung bei Bodenfunden sei, wurde gesagt, dass Staat und Grundeigentümer sich das Eigentum teilen, mit nur einen kleinen Belohnung für den Finder. Das ist falsch. Tatsächlich erhalten Grundeigentümer und Finder in Bundesländern ohne Schatzregal, wie Bayern, jeweils 50% des Eigentums. Der Staat geht leer aus.


Ringbarrenhort - Planum bei der Bergung

Archäologische Bedeutung des Fundes

Die Sitte Metallobjekte absichtlich im Erdboden oder auch in Gewässern zu deponieren ist ein interessantes Merkmal u.a. der Bronzezeit, über dessen Deutung bis heute in Fachkreisen gestritten wird. Gabe an die Götter? Notgroschen für schlechte Zeiten? Verstecke eines Metallhändlers? Da es schlechte und gefährliche Zeiten immer mal wieder gab, die Depots aber gerade in der Bronzezeit auffällig häufig vorkommen [3], ist eher ein kultischer bzw. weltanschaulicher Hintergrund wahrscheinlich.

Die Ringe stellten eine Art Gelddepot in Metallform dar. Das Gewicht der Ringe war genormt, und einige leichtgewichtige Ringe wurden zusätzlich mit Draht umwickelt um sie auf das Normgewicht zu bringen.

Für einen Sondengänger ist ein bronzezeitlicher Hort- bzw. Depotfund ein absoluter Höhepunkt seiner Suchtätigkeit. Die meisten Sucher finden so etwas niemals. Aus der Sicht der gesamtdeutschen Archäologie sind bronzezeitliche Hortfunde per se zwar auch ungewöhnlich attraktive Funde, jedoch nicht extrem selten. Davon sind – sehr grob geschätzt – bundesweit etwa 1000 bekannt. Die allermeisten davon wurden jedoch nicht in situ gemeldet, sondern undokumentiert geborgen. Aus rein archäologischer Sicht sind heute meist nicht mehr vorrangig die Objekte des Hortes interessant, sondern die relative Lage der Objekte zueinander. Die Präsentation des Fundes im ersten Bild dieses Artikels zeigt genau eben diese originale Anordnung. Die Ringe werden genau in der Stapelung gezeigt, in der sie einst vergraben wurden.

Horte wie dieser, deren Anordnung vor der Bodenentnahme genau dokumentiert wurde, sind bis heute etwas ganz Besonderes, selbst nach den Maßstäben der gesamtdeutschen Archäologie.

Bei der Restaurierung in den Werkstätten der AS stellte sich heraus, dass selbst die aus organischem Material bestehenden Schnüre, die die Ringe bündelten, die etwa 4000 Jahre im Boden unbeschadet überstanden haben [1]. Nach Kenntnisstand des Autors ist das das erste Mal, dass so etwas in Deutschland an einem Fund dieses Alters beobachtet werden konnte. Darüber hinaus ermöglichen die Schnüre evtl. in der Zukunft über eine C14 Analyse eine genauere Datierung als dies rein typologisch möglich wäre. Ein weiterer Grund, warum die überaus seltenen organische Beifunde zu Metallobjekten so geschätzt werden.

Diese Schnüre, kombiniert mit der wohldokumentierten Bergung, lassen diesen Fund weit aus der Masse der in Deutschland gefundenen Horte herausragen.


Ringbarrenhort Detail Schnüre Die etwa 4000 Jahre alten Schnüre haben sich im Original erhalten.

Eigentumsrechtliche Fragen

Da der Fund in Bayern, einem Bundesland ohne Schatzregal, gefunden wurde, waren Finder und Grundeigentümer zunächst gemeinschaftliche Eigentümer des Hortes. Sie verkauften den Fund an die AS zu einem vom Finder vorgeschlagenen Preis, der am unteren Rand der gängigen Marktpreise lag.



Resumee des Finders zum Verhalten der Behörden

Mit dem Verhalten der AS zeigte sich der Finder vollauf zufrieden. Die nicht autorisierte Veröffentlichung des genauen Fundortes am Tag der offenen Tür – für Sucher oft ein heikles Thema – nahm er gelassen.
Den Kontakt zum BLFD [4] möchte er hingegen auf das gesetzlich vorgeschriebene Mindestmaß (Meldung) beschränken.
Die Frage, ob er einen weiteren Fund dieser Art wiederum melden würde, bejahte er.



Kommentar

Zunächst einmal: Herzlichen Glückwunsch dazu an den Finder! Ein Superfund für jeden Sondengänger, auch die erfolgreichsten. Darüber hinaus eine weitere, eindrucksvolle Bestätigung der Fähigkeit der Sondengänger ungewöhnlich attraktive Artefakte zu finden.

In Fall dieses Hortfundes sind alle Beteiligten zufrieden: Finder, Grundeigentümer, Museum und, eingeschränkt, sogar das BLFD. [2] Das kommt in der Welt der Suche selten genug vor und es ist schön, auch mal über so etwas berichten zu können.

Die staatlichen Institutionen hätten sich keinen kooperativeren Finder wünschen können. Zum einen unternahm der Finder nicht den Versuch, ein Maximum an finanziellen Nutzen aus dem Fund zu ziehen, was legitim gewesen wäre. Des weiteren sei an dieser Stelle ausdrücklich auf das persönliche Risiko hingewiesen, das der Finder mit dem Belassen des einmaligen Fundes im Boden für geschlagene zehn Tage auf sich nahm. Täglich mit der Befürchtung leben zu müssen, dass ein anderer den Fund ebenfalls entdecken [5] und ohne viel Federlesens einfach mitnehmen könnte, zerrt an den Nerven. Auch der Finder suchte die Stelle zwischendurch einmal auf und überzeugte sich von ihrer Unversehrtheit. Die staatlichen Institutionen übergehen so etwas gerne als selbstverständlich; ein Hardcoresucher macht jedoch wortwörtlich kein Auge mehr zu, bis der Fund geborgen und in Sicherheit ist. Dies ist ebenso zu würdigen wie ein anderes, vom Finder eingegangenes Risiko: Hätte die Staatssammlung oder eine andere Institution den Hort nicht ausgegraben, dann wäre der Finder leer ausgegangen. Mit der Meldung wurde der Hort zum Bodendenkmal. Der Finder hätte ihn nicht ausgraben dürfen. Zu der Problematik siehe auch Kapitel 7ff des Artikels "Suchbericht 2: Brandbomben und Römerstraßen". Sie kann dazu führen, dass jemand einen Hort selber ausgräbt und so wichtige archäologische Informationen zerstört, nur um zu vermeiden, dass er leer ausgeht. Ein Beispiel für die archäologieschädlichen Folgen der kompromisslosen Haltung des BLFD.

Die Fundgeschichte zeigt, wie sehr archäologische Institutionen von der Kooperation mit Sondengängern profitieren können. Sie könnten noch mehr von ihnen profitieren, wenn sie auch auf diejenigen Sucher attraktiv wirken würden, die nicht so entgegenkommend sind wie der Finder dieses Hortes.


Quellen und Anmerkungen

[1] Zwar ist die keimtötende und somit konservierende Wirkung des Kupfers bekannt, jedoch wies der zuständige Restaurator der AS, Herr Gussmann, darauf hin, dass die Schnüre weiß und eben nicht grün seien. Die konservierenden Kupferverbindungen sind also nicht in sie eingedrungen. Die letzte Erklärung für den guten Zustand der Schnüre steht noch aus.

[2] Offiziell wäre das BLFD mit dem Verbleib im Erdboden zwar glücklicher gewesen, inoffiziell wird man aber auch dort wissen, dass dies früher oder später wahrscheinlich einen erneuten Fund – diesmal ohne Meldung und für die Privatvitrine – zur Folge gehabt hätte.

[3] Literatur: Alix und Bernhard Hänsel, Gaben an die Götter - Schätze der Bronzezeit Europas

[4] Zum nicht immer von Harmonie geprägten Verhältnis des aktuellen (2009) Leiters der Bodendenkmalpflge am BLFD zu den Sondengängern siehe auch den Beitrag "Termin eines Sondengängers beim BLFD" .

[5] So unwahrscheinlich, wie das für Außenstehende klingen mag, ist das nicht. Tatsächlich suchte der Autor schon im Jahre 2001, mit Genehmigung des BLFD, ein Areal ab, das nur wenige hundert Meter vom Fundort des Hortes entfernt lag. Ein weiteres, damals beantragtes Areal lag sogar nur ca. 100m vom Fundort entfernt. Tja, knapp vorbei ist auch daneben. Aber der Autor kann damit reif und ... ich meine reif und gelassen und ... ach, was soll's: FUCKFUCKFUCK!!!

[6] Leser, die mit dem BLFD noch nicht viel zu tun hatten, werden sich vielleicht fragen, was denn noch alles gemeldet werden soll, ehe die Beamten den Kaffeebecher weglegen, zum Spaten greifen und die Behaglichkeit ihrer Diensträume verlassen. Pharaonengräber an der Isar? Mit dieser Fragestellung tut man vielen Mitarbeitern dort jedoch Unrecht. Es handelt sich durchaus um engagierte Archäologen, die persönlich den Hort sicher sehr gerne selber ausgegraben hätten. Es aber nicht dürfen, da es die Linie des Hauses ist, auch attraktive Befunde nur auszugraben, wenn sie durch eine Baumaßnahme bedroht sind, was hier eben nicht der Fall war.

Diese sehr einseitige Betonung des Schutz- gegenüber des Erforschungsgedankens ist z.Zt. die Leitlinie des BLFD, siehe auch den Artikel "Termin beim BLFD" . Sie behindert die Erweiterung des archäologischen Wissens und trägt dazu bei, dass in Sondengängerkreisen Klagen der Amtsarchäologen über gestörte Befunde vielerorts kaum noch ernst genommen werden. Wer selber nicht ausgraben will, obwohl ihm die Gelegenheit dazu geradezu auf dem Silbertablett präsentiert wird, verliert seine Autorität. Sich selber nicht im mindesten zu engagieren, es anderen, die einen Fund extrem zeitaufwendig aufgespürt haben, aber verbieten zu wollen, führt zwangsläufig zu Akzeptanzproblemen. Ein ähnlicher Fall wird im Kapitel "Ungewöhnliche Entdeckung (7/11)" und den Folgekapiteln im Suchbericht "Von Brandbomben und Römerstraßen" detailliert geschildert.

Beeinflusst wurde diese Leitlinie wahrscheinlich von der äußerst knappen Budgetsituation des Hauses , wie auch die generelle Position des BLFD in Sondengängerfragen. Für eine individuelle Betreuung einer größeren Anzahl meldender Sondengänger fehlen schlicht die Mittel. Nichts ist so kostengünstig wie pauschales Verbieten, und u.a. deshalb geschieht es, obwohl die Behörde es den Gesetzen nach nicht darf. Verbote bedürfen der Einzelfallprüfung. Sie sind lt. Gesetz der Sonder-, nicht der Normalfall. In der Realität ist es leider genau anders herum.

Bei aller Kritik am aktuellen Leiter der Bodendenkmalpflege am BLFD sollte man jedoch nicht vergessen, dass er lediglich das tut, was seiner Meinung nach für den Bestand der Altertümer im Boden das Beste ist. Von Sondengängern weiß er nur wenig - er hat z.B. nie Fundmeldungen entgegengenommen - und das ist oft negativ. Von seinem knappen Budget hat er Wichtigeres zu bestreiten als Experimente mit Sondengängern durchzuführen. Andererseits können gerade spektakuläre Funde von Sondengängern die Budgetsituation archäologischer Institutionen drastisch verbessern, siehe Himmelscheibe, und siehe "Archäologie und Archäologen in Deutschland". Weitere Details zur Perspektive der Denkmalschützer finden sich im Artikel "Interessengruppe der Archäologen und Denkmalschützer".

Nachtrag 12.4.10

URL geändert. Sorry wegen evtl. Links.

Anmerkung [6] erweitert.

(C) Thorsten Straub, www.sondengaenger-deutschland.de